
Die Leidenschaft für meinen Kampf gegen den Klimawandel entbrannte vor 30 Jahren in Bangladesch. Ich verbrachte viel Zeit in den Slums und sah Menschen an Denguefieber sterben. Eine Krankheit, die sich in der warmen Welt, die wir durch unsere Umweltverschmutzung kreieren, rasant ausbreitet. Ich wurde selbst angesteckt, es ging mir sehr schlecht. Aber als gesunder, gut genährter Amerikaner überlebte ich.
Mir wurde klar, wie ungerecht das war. Die Menschen in den Entwicklungsländern tragen die Konsequenzen für Dinge, die wir in der westlichen Welt verursachen. In Bangladesch leben rund 160 Millionen Menschen. Aber wenn die Uno ausrechnet, wie viel CO2 das Land produziert, ist die Zahl so klein, dass sie mehr einem Rundungsfehler gleichkommt.
Ich erfuhr, dass ich den Alternativen Nobelpreis gewonnen habe, als wir gerade einen riesigen Marsch durch die Strassen New York Citys abhielten. Interessanterweise war das auf den Tag genau 25 Jahre, nachdem mein Buch «Das Ende der Natur» erschienen war, das als erstes Werk zum Thema Klimawandel gilt. Viele Jahre habe ich das Schreiben als meine Art des Kampfes betrachtet. Ich habe mehrere Bücher und Tausende Artikel geschrieben.
Dann kam ich zum Schluss, dass das nicht genügt. Denn so eindeutig die Wissenschaft davor warnt, dass wir auf eine Katastrophe von biblischem Ausmass zusteuern, wenn wir weiterhin so riesige Mengen an fossilen Brennstoffen verbrauchen: Es passiert nichts. Am wenigsten in meinem Heimatland, den USA.
Ich musste einsehen, dass ich als Umweltaktivist die Diskussion gewonnen, den Kampf aber verloren hatte. Entscheidend war nicht Vernunft, sondern Macht in Form von Geld. Und keine Industrie hat mehr Geld als die Ölindustrie. Also begann ich zu überlegen, wie ich Macht gewinnen kann. Natürlich konnte ich nie so viel Geld besitzen wie die Ölindustrie. Ich brauchte eine andere Art von Währung. Das Einzige, was mir in den Sinn kam, war die Macht politischer Bewegungen. Sie setzt sich zusammen aus der Anzahl von Menschen, die sich ihnen anschliessen, ihrer Leidenschaft und Kreativität. Manchmal muss man seinen Körper einsetzen, um das Geld der Gegner aufzuwägen.
Ich begann, eine Bewegung aufzubauen mit sieben Studenten vom Middlebury College in Vermont, wo ich unterrichte. Übers Internet und über private Kontakte. Niemand von uns konnte 2007 nach der Gründung der Organisation ahnen, was wir erreichen würden. Wir hatten keinerlei Ressourcen, aber einen guten Namen: 350.org. Er bezeichnet den CO2-Gehalt in der Atmosphäre, der gerade noch vertretbar ist, wenn es zu keiner Klimakatastrophe kommen soll. Wir sind bereits über einem Wert von 400, Tendenz steigend.
2009 veranstalteten wir einen globalen Aktionstag. Fünftausend Kundgebungen und Demonstrationen in 181 Ländern fanden statt. CNN bezeichnete es als grösste politische Aktion in der Geschichte des Planeten. Viele Demonstranten waren dunkler Hautfarbe, viele asiatisch. Es war der Beweis, dass Umweltschutz nicht nur ein Problem reicher, weisser Leute ist, wie oft behauptet wird. Bis heute hat 350.org 20 000 Kundgebungen in fast allen Ländern der Welt organisiert.
Dabei wurde ich einige Male verhaftet. Einmal verbrachte ich fünf Tage in einem der übelsten Gefängnisse Washingtons. Wir waren an den Füssen zusammengekettet und kriegten zwei Mal am Tag ein Sandwich. Es war ein komisches Gefühl. Wenn man gegen das Ende der Welt ankämpft, ist so etwas nicht das Ende der Welt.
Ich lebe in einem Haus mit Sonnenkollektoren und war wohl der Erste, der in Vermont ein Elektroauto fuhr. Ich bin mir aber bewusst, dass ich die Erderwärmung nicht stoppen kann, wenn ich meinen ökologischen Fussabdruck klein halte. Das kann nur die Politik tun, indem sie einen Preis für den CO2-Ausstoss festlegt, der dem Schaden entspricht, den er anrichtet.
Ich habe aufgehört, pessimistisch oder optimistisch zu sein. Ich mache einfach, was ich kann. Wenn ich Entspannung brauche, gehe ich in den Wald spazieren. Oder ich spreche mit meiner Frau. Sie ist sehr weise.
Bill McKibben (54)
Er gehört zu den einflussreichsten Umweltaktivisten der Welt. In den vergangenen dreissig Jahren schrieb Bill McKibben Tausende Artikel und mehrere Bücher über den Klimawandel. 1989 veröffentlichte er mit «Das Ende der Natur» das erste Buch zum Thema überhaupt. Es wurde ein Bestseller. Die Karriere des Amerikaners, der früher als Journalist arbeitete, strotzt vor Superlativen. Ein internationaler Protest-Tag, den er mit der von ihm gegründeten Organisation 350.org organisierte, ging 2009 als grösste politische Aktion seit Menschengedenken in die Geschichte ein. McKibben lebt in Vermont, wo er an einer Universität unterrichtet. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.
Wir porträtierten in den letzten Ausgaben Gewinner des Alternativen Nobelpreises 2014. Mit diesem Artikel endet die Serie.
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