Journalist

«Bequem ist wünschenswert»

In «Sonntagszeitung», Trend on 19. Mai 2013 at 13:02

bild_rothJuso-Politiker David Roth hat seine gesamten Habseligkeiten in einem einzigen Regal im WG-Zimmer unter- gebracht.

David Roth serviert Hahnenwasser in Biergläsern. Die Vierzimmerwohnung, in der er mit zwei Freunden im Luzerner Neustadt-Quartier wohnt, hat alles, was eine Studenten-WG ausmacht: eine No-Name-Kaffeemaschine mit Kolben, die dringend wieder einmal entkalkt werden müsste. Zusammengewürfelte Möbel aus dem Brockenhaus. Altmodische Landschaftsbilder aus Grossmutters Dachboden, die jemand aus Jux aufgehängt hat. Und bunte Plakate von Musikfestivals, bei deren Gestaltung einem Grafiker freie Hand gelassen wurde. Nur den Golfschläger, der in einer Ecke steht, würde man nicht unbedingt beim Parteipräsidenten der Schweizer Jungsozialisten erwarten. Er habe ein paarmal urbanes Crossgolf gespielt, die Antivariante des Elitesports, sagt der 28-Jährige. Es gibt also keinen Grund zur Beunruhigung.

Seine Partei hat die 1:12-Initiative lanciert, die im November vors Volk kommt und vorsieht, dass der Lohn des bestverdienenden Mitarbeiters eines Unternehmens nicht mehr als zwölfmal grösser sein darf als der des am schlechtesten verdienenden. Roth wird oft nach seinem eigenen Einkommen gefragt. Mit seinen Ämtern als Parteipräsident der Juso, Vizepräsident der SP und Kantonsrat von Luzern kommt er auf rund 3500 Franken pro Monat. Die Miete von 1050 Franken wird durch drei geteilt, jeder bezahlt 350 Franken. In seiner WG gibt es keine gemeinsame Kasse und keine privaten Fächer im Kühlschrank. «Jeder kauft immer einmal wieder etwas ein. Das funktioniert bestens.»

Roth weiss, wie man polarisiert und provoziert. Mit einem schadenfreudigen Tweet zum Tod von Margaret Thatcher hat er jüngst ein kleines mediales Erdbeben ausgelöst. Jetzt sitzt der Politiker, der sich in Streitgesprächen stets angriffslustig gibt, in Skinny-Jeans und ausgelatschten Birken- stock-Finken auf einem Schemel in seiner Küche mit Gasherd, aber ohne Geschirrspüler und wirkt zurückhaltend – ja, fast ein wenig harmlos.

Privat sei er zwar sehr direkt, sagt er, aber nicht ständig auf Konfrontationskurs. Er hat sein Studium an der Universität in Freiburg, wo er Zeitgeschichte belegt, vorerst auf Eis gelegt, weil er auch so schon mehr als 60 Stunden pro Woche arbeitet. Als Kantonsrat und Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben muss Roth auch Dinge tun wie den Jahresbericht der Industrie- und Gewerbeaufsicht kontrollieren. «Der grösste Teil meiner Arbeit sorgt nicht für Schlagzeilen.» Es scheppert im Zimmer von Julius, dem Mitbewohner Nummer eins. Er sieht aus wie eine Surferversion von Kurt Cobain, studiert Soziologie und spielt in drei verschiedenen Bands. Im Wohnzimmer steht ein Holzgestell mit goldfarbenem Lametta, das ihm einmal als Bühnendekoration gedient hat. Es ist ein Einrichtungskonzept, das sich durch- zieht: Man nimmt, was man kriegt, und stellt auf, wo Platz ist. An einer überladenen Pinnwand aus Kork hängt auch einer der Drohbriefe, die Roth in regelmässigen Abständen erhält. «Darüber kann ich lachen.»

Auch sein zweiter Mitbewohner, Sekundarlehrer Andreas, ist Bandmitglied. Im Hausgang stehen schwere Kisten mit CDs, die er aufgenommen hat. Ausser Roth üben alle in ihren Zimmern Gitarre. Es störe ihn aber nicht. Er gebe dafür frühmorgens Radiointerviews am Festnetztelefon im Wohnzimmer, wenn die anderen noch schliefen. «Wir müssen alle tolerant sein.» Roths eigenes Zimmer ist schmucklos eingerichtet. Im Prinzip ist sein ganzes Hab und Gut in 25 quadratische Fächer eines Ikea-Regals gestopft. Das einzige Möbelstück, an dem er wirklich hänge, sei das superbequeme «Hüsler-Nest», in dem er schlafe, sagt Roth. Das traditionelle Schweizer Naturbettsystem kostet «etwas im vierstelligen Bereich». Er habe keine hohen Ansprüche an Materielles, sagt er. «Aber bequem ist wünschenswert.»

Der Nachfolger

David Roth wurde 2011 als Nachfolger von Cédric Wermuth Präsident der Partei JungsozialistInnen Schweiz, kurz Juso, und Vizepräsident der SP. Die Juso haben die 1:12-Initiative lanciert. Roth ist mit zwei Brüdern in Luzern aufgewachsen, besuchte die Sekundarschule und das Kurzgymnasium. Er arbeitete sieben Jahre bei Radio 3fach in Luzern als Moderator und Redaktor. 2006 begann er mit dem Studiengang Zeitgeschichte an der Universität von Freiburg. Der 28-Jährige wohnt mit zwei Freunden in einer Vierzimmerwohnung im vierten Stock im Luzerner Neustadt-Quartier, einer Siedlung aus den Dreissigerjahren.

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