Journalist

Iouri und seine Bande

In «Friday» on 4. Februar 2011 at 11:03

friday_iouri_bandeIouri Podladtchikov ist der reichste Snowboarder der Schweiz, seine Clique jung und schön. Beim Feiern macht ihnen keiner etwas vor.

Vodka und Kaviarrrghh!!!», steht in Iouri Podladtchikovs Facebook-Profil. Der Snowboardstar macht gerade wieder, was er neben Halfpipefahren am besten kann: Party. «Du in Russland?», fragt ein Freund. Antwort: «Nein, in Zürich, Motherfucker!»

Er gehört zu den besten Halfpipe- Cracks der Welt, beherrscht neben US-Superstar Shaun White als Einziger den gefährlichen Sprung Double McTwist 1260. Erklärtes Ziel des 22-jährigen schweizerisch-russischen Doppelbürgers: White vom Thron stossen. Bei den Winter X Games in Aspen Ende Januar ist das Duell mit White zwar geplatzt, weil sichIouri beim Training die Schulter verletzt hatte. Doch der nächste Fight kommt bestimmt. Iouri hat 2011 bereits Silber an der WM in La Molina gewonnen und führt die Ticket-to-Ride-World-Tour mit zehn Punkten Vorsprung an.

Iouris Welt sind aber nicht allein die Berge. Wenn Sommer ist am Zürichsee und er nach Neuseeland ins Trainingslager muss, nervt ihn das. Dann fehlt ihm seine Entourage: Die einen legen auf, andere modeln, viele skaten, alle gehen gern aus. «Ich bin ein Stadtkind», sagt Iouri. «Damit ich gut bin beim Boarden, muss ich abschalten können. Das kann ich am besten zuhause mit meinen Leuten.» Iouri liebt es, seine Freunde zu fotografieren. Die Bilder zeigen rauchende Schönheiten mit Prosecco-Flaschen in der Hand und Bändern in den Haaren. Oder Jungs, die sich die Arme kumpelhaft über die Schultern legen und selbstbewusst in die Kamera schauen mit einem Blick, der sagt: Uns gehört die Welt.

Vor ein paar Monaten zeigte er die Fotos in einer Galerie an der Zürcher Langstrasse. «Dresscode für Girls: Highheels!» stand auf der Einladung. «Das ist typisch Iouri», findet sein bester Freund Ruben, mit dem er in die Kantonsschule Oerlikon ging. «Iouri war der Erste mit Airwalk-Schuhen», erinnert er sich. Ruben ist Indie-DJ, versucht sich gerade als Produzent. Nebenher arbeitet er in einem Snowboard-Shop und kommt so finanziell knapp über die Runden. «In unserer Clique haben die Wenigsten 9-to-5-Bürojobs. Für uns ist das der Horror.» Und sowieso, Grossverdiener Iouri lässt seine Kumpel gern an seinem Reichtum teilhaben, packt sie für einen Roadtrip in seinen Porsche 911 Targa 4S, den er vor einem Jahr gegen sein fünftes Auto, einen Audi R8, eingetauscht hat.

Oder er macht seinen Freunden grosszügige Geschenke. Ruben: «Zum Geburtstag hat mir Iouri eine Laptop-Hülle von Louis Vuitton geschenkt. Als ich ihn daran erinnerte, dass mir der Laptop geklaut worden war, sagte er, ich solle die Hülle doch mal aufmachen. Drin lag ein nigelnagelneues MacBook.»

Lässt sich Iouri finanziell auch ausnützen? Ruben: «Nein, das merkt er sofort. Wenn ihn im Ausgang jemand anpumpt, sagt er knallhart Nein. Da kann er ein rechter Arsch sein.» Und wenn ihn ein guter Freund um Geld bittet? Iouri: «Wir haben den Kodex, dass wir uns gegenseitig nie Geld ausleihen. Das macht man einfach nicht.» «Iouri ist der beste Kumpel der Welt», sagt Ruben. «Obwohl immer alle nach seiner Pfeife tanzen sollen. Er ist zum Beispiel extrem skeptisch, wenn wir mal an eine neue Party gehen wollen. Wer ihn kennt, ignoriert das am besten einfach.» Skepsis schlägt bei Iouri schnell in Begeisterung um. Die teilt er dann mit allen, als wäre es seine Idee gewesen.

Was ist sonst noch typisch Iouri? «Er zieht Gewinnertypen an», sagt Adriana. «Leute, die keine Ideen haben, langweilen ihn.» Iouri: «Das Schlimmste ist für mich, wenn jemand ständig fragt: ‹Was machen wir?›» Adriana ist mit 25 eine der ältesten Frauen in Iouris Entourage und eine der wenigen engen Bekannten, die er nicht aus der Schulzeit kennt, sondern vom Ausgang. «Ich bin wohl auch eine der wenigen Girls um ihn herum, die nicht mit ihm geschlafen haben.» (Iouri zitiert auf seine Bettgeschichten angesprochen gern mal Charlie Sheen: «Sie will mich, ich will mich, wir können mich nicht beide haben.») Adriana: «Er lernt mit seinem Charme und seinem Namen laufend Frauen kennen. Wenns aber hart auf hart kommt, ist er der absolute Bros-before-Hoes-Typ.» Das heisst: Freunde kommen bei ihm vor Flirts. Adriana studiert Psychologie. «Iouri kann mich supergut aus meinem Lernalltag herausholen. Er ruft mich an und sagt: So, wir klappern jetzt alle Edelbars von Zürich ab, und du kommst mit.»

In solchen Situationen oder wenn Iouri seinen Kollegen die gemeinsame Suite im Designhotel bezahlt, in das er schon immer einmal wollte, ist etwas Bevormundung gar nicht so schlimm. «Ich passe mich nicht gern dem niedrigen Standard an, ich mache lieber ein Upgrade», sagt er. Iouri weiss, dass er gerade einen One-in-a-Million-Lifestyle lebt, der so schnell vorbei sein kann, wie er gekommen ist. «Ich lege gern mal ein bisschen drauf, dafür erlebe ich mit meinen Freunden etwas, das wir nie vergessen werden.»

Als Iouri am 15. Januar am Burton European Open in Laax zu Bronze sprang, stand sein WG-Mitbewohner Fabian mit gebrochenem Fuss und Krücken unter den Zuschauern. «Um ihn mental zu unterstützen», wie er sagt. Fabian, selbst Snowboardprofi, ging mit Iouri ins Sportgymnasium Davos und würde gern selbst durchstarten, wenn nur seine ständigen Verletzungen nicht wären. Er ist auf vielen von Iouris Bildern, hat dessen Rock’n’Roll-Style mit den Gilets über nacktem Oberkörper und den 60s-Anzügen mit schmalen Krawatten weiterentwickelt, trägt Armreife, zerfetzte Foulards. Er beschreibt die Clique so: «Wir sind jung und möchten uns von einem Abenteuer ins nächste stürzen, auch wenn wir daran kaputtgehen.»

Auch auf Iouris Bildern verewigt ist Pongo, Iouris alter Skate-Buddy. Er hat sich vor einem Jahr von einer Autobahnbrücke in den Tod gestürzt. «Heute glaube ich, er wusste, dass er das eines Tages machen würde», sagt Iouri. «Deshalb hat er alles total übertrieben: das Skaten, das Partymachen. Ohne Rücksicht auf sich selbst.» Nach dem Sportgymnasium habe er mit Malen angefangen. «Krasse Bilder im Stil von Basquiat.» Für die Kunsti sei er bereits angemeldet gewesen. «Doch so weit kam es nicht mehr.» Iouri hielt an der Beerdigung die Rede. «Das war das Extremste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Extremer als alles, was ich beim Snowboarden durchgegeben habe. Ich hatte ihn unglaublich gern.»

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